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Strampeln für die freie Welt – Postkolonialismus – Moritz Schlick – Essay-Wettbewerb – Open Summit

Während ich diese Zeilen schreibe, quälen sich viele großartige Sportler durch die Tour de France, das größte Radrennen der Welt.

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filip bossuyt from Flickr (CC BY 2.0)

Strampeln für die freie Welt

Während ich diese Zeilen schreibe, quälen sich viele großartige Sportler durch die Tour de France, das größte Radrennen der Welt. Die Faszination der Tour gründet nicht nur in den Rivalitäten zwischen den Granden des Sports, heute Tadej Pogačar und Jonas Vingegaard, früher Jan Ullrich und Lance Armstrong, sondern auch in der reinen Rivalität zwischen jedem Fahrer und dem Berg – sei es der Mont Ventoux, der Galibier oder der Tourmalet.
Dieser Kampf Fahrer gegen Berg steht symbolisch für den Menschen und die Welt. Sein Überleben musste und muss der Mensch stets der Welt abtrotzen. Etwa, indem er Felder bestellt, Beeren und Kräuter sammelt oder auf die Jagd geht. Genau wie die Fahrer nach langem Kampf den Berggipfel erreichen, hat es auch die Menschheit immer und immer wieder geschafft, diesen Kampf für sich zu entscheiden. Nicht nur durch den reinen Einsatz, den jeder Radprofi manifestiert, der sich die 21 Kehren bis hinauf nach Alpe d’Huez quält. Sondern auch durch Ingenuität, durch das Entwickeln von Werkzeugen, aber auch von Organisationen, wie etwa Firmen, die das Kooperieren erleichtern oder gar ermöglichen. Der Anthropologe Joseph Henrich sieht das „Geheimnis unseres Erfolges“ hier in unserem „collective brains“ und betont die Kultur, die es uns ermöglicht hat, derartige Fortschritte in Technologie und Zusammenleben zu erreichen – vor allem durch das Lernen von anderen.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt uns, dass wir als Menschen unfassbare Fortschritte in diesem Überlebenskampf gemacht haben (wer darüber mehr lesen mag, dem sei Fortschritt von Johan Norberg ans Herz gelegt). Und er gibt Grund für Optimismus: nicht nur geht es uns heute in vielerlei Hinsicht besser als unseren Urahnen, sondern wir haben auch berechtigten Grund zur Annahme, dass wir den Herausforderungen, die unserer harren, erfolgreich begegnen werden. Was es dafür braucht? Einerseits Menschen, die optimistisch sind und an sich glauben – daran, den Ventoux zu bezwingen, aber auch eine neue Technologie zu entwickeln oder ein neues Produkt zu erfinden. Und andererseits Menschen, die diesen optimistischen Weltbewegern keine Steine in den Weg werfen. Dann werden wir mit Sicherheit noch viele Berge, die heute vielleicht unbezwingbar erscheinen, erklettern. Und manches mal sie vielleicht gar versetzen.

AUSBLICK

Podcast-Empfehlung: based. mit Mathias Brodkorb

Wer ins Völkerkundemuseum geht, der erwartet Neues zu erfahren, eine andere Kultur kennenzulernen. Vor diesem Hintergrund schockiert es, wenn Mathias Brodkorb berichtet, dass viele Museen es heutzutage mit der Wahrheit nicht genau nehmen – freundlich formuliert. Vielmehr wird ausgelassen, was nichts ins postkoloniale Narrativ passt. Das und einiges mehr erzählt Brodkorb im Interview mit unseren Freunden von based.

WELTBEWEGER

Wikimedia Commons (CC 0)

Moritz Schlick (1882-1936)

Vor allem wegen des Ende der 1920er Jahre veröffentlichten Manifests „Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis“ gilt der Wiener Kreis gilt gemeinhin nicht als Ort, an dem Liberale sich getummelt haben. Aber dieses Bild jener Gruppe von Intellektuellen, die mit der Metaphysik brachen und eine empirisch fundierte Weltsicht forderten, ist so nicht richtig. Das Paradebeispiel für ein liberales Mitglied des Wiener Kreis ist Moritz Schlick, seines Zeichens gar Leiter jenes Kreises, in dem der logische Empirismus zuhause war. Schlick, ein deutscher Philosoph, der Anfang der 1920er Jahre nach Wien zog, schreibt in seinem posthum erschienen Werk Natur und Kultur: „Unser Begriff vom Staate ist: Zusammenschluß zum Schutz aller gemeinsamen Lebensnotwendigkeiten. Bei dieser Definition bleibt es gänzlich offen, ob die Grenzen des Staates – das heißt: der Umkreis der Bürger, die zu ihm gehören – durch örtliches Zusammenwohnen bestimmt werden … oder ob die Trennung durch ein anderes Prinzip erfolgt.“ Worum es also geht, ist der Staat als das, worauf sich Menschen geeinigt haben – die ganz grundlegende Idee des Gemeinwesens oder eben Zusammenschlusses, die Hobbes und Locke entwickelt haben. Wegweisend ist Schlicks Hinweis, dass der Staat primär überhaupt nichts Territoriales ist – was viele Liberale heute leider allzu oft aus den Augen verlieren. (Übrigens kann Schlick mit seinen Ideen auch als Vorläufer des Network States gelten, der von Balaji Srinivasan entwickelt wurde. Die Idee hierhinter ist eine „online community“, die über territoriale Grenzen hinweg einen Staat bildet und so zu einer Alternative zu herkömmlichen Staaten wird.)

MITSTREITER

Essay-Wettbewerb

Wie jedes Jahr veranstalten unsere Kollegen vom Zentrum Liberale Moderne wieder ihren Essay-Wettbewerb zum Thema Wirtschaft und Demokratie. In den vergangenen beiden Jahren gewannen diesen Wettbewerb unsere Kollegen Justus Enninga und Marius Drozdzewski sowie unserer Research Fellow Joost Haddinga. Neu ist in diesem Jahr, dass es diesmal zwei Kategorien gibt: Einerseits den Exzellenzpreis für „Wirtschaft und Demokratie“, der sich an alle Interessierte richtet. Andererseits den „NextGen Essaypreis „Wirtschaft und Demokratie”, bei dem junge Menschen bis 35 teilnehmen dürfen. Den Gewinnern winken die Veröffentlichung in der WirtschaftsWoche sowie bis zu 2.000 € Preisgeld in der NextGen-Kategorie.

HEIMAT DER FREIHEIT

Neue Open Summit Speaker

Unsere Planungen für den Open Summit schreiten in großen Schritten voran und das Programm nimmt immer mehr Gestalt an. So konnten wir in den letzten Wochen noch neue Workshopleiter gewinnen: Lolita Deriabina berichtet aus ihren Erfahrungen als Dozentin in Deutschkursen für Zuwanderer, Felix Miericke gibt einen Einblick in die intellektuellen Debatten im Konservatismus, Karen Rudolph widmet sich der Zukunft der Altersvorsorge und Max Zombek und Benedikt Schmal sprechen darüber, wie man die Ideen des Liberalismus aus dem Elfenbeinturm auf die Straße bringt – und zwar wortwörtlich.