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Entwicklungszusammenarbeit privatisieren – Café Kyiv – Germaine de Stael – National Portrait Gallery

Das Geschäftsvolumen der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit betrug im Jahr 2011 2,032 Milliarden Euro, inflationsbereinigt sind das 2,868 Milliarden. Laut dem Geschäftsbericht von 2023 sind wir inzwischen bei 3.,68 Milliarden angekommen. Angesichts des Kahlschlags bei USAID sollte man meinen, dass hier noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Muss da nicht Deutschland auch einspringen, um die westliche Präsenz aufrecht zu erhalten? Schließlich war die US-Behörde einst…

ANSICHT

Photo: International Catholic Migration Commission from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Was uns bewegt

Das Geschäftsvolumen der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit betrug im Jahr 2011 2,032 Milliarden Euro, inflationsbereinigt sind das 2,868 Milliarden. Laut dem Geschäftsbericht von 2023 sind wir inzwischen bei 3.,68 Milliarden angekommen. Angesichts des Kahlschlags bei USAID sollte man meinen, dass hier noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Muss da nicht Deutschland auch einspringen, um die westliche Präsenz aufrecht zu erhalten? Schließlich war die US-Behörde einst von Kennedy auch zu dem Zweck ins Leben gerufen worden, den sowjetischen Lockungen im sich entkolonialisierenden Süden die prallen Portemonnaies kapitalistischer Soft Power entgegenzusetzen.
Das Problem ist allerdings, dass Bürokratien wie die GIZ Brutstätten für Ineffizienzen und Privilegienwirtschaft sind. Wenn man deren Budget weiter erhöht, wird das womöglich weit überproportional in Personalausbau gehen, um Absolventen des Studiums internationale Beziehungen einen diplomatischen Lebensstil zu finanzieren (der das mit der soft power auch gerne mal entwertet). Wer zum Beispiel in Sambia an einer Bewässerungsinfrastruktur mitarbeitet oder in Malaysia ein Projekt zur Ausweitung von Mädchenbildung betreut und mithin länger als neun Stunden von Deutschland aus fliegt, kann es sich unterwegs auch in der Business Class gemütlich machen. Aus einer Perspektive kommen dafür die deutschen Steuerzahler auf. Man könnte aber auch so darauf blicken, dass mit dem Geld sonst auch neue Rohre gekauft oder Lehrer ausgebildet werden können.
Dass Entwicklungshilfe ein gigantisches Potential hat, einen erheblichen Teil der Ziele zu verfehlen, ist hinlänglich bekannt und nicht zuletzt von Aktivisten aus dem Globalen Süden immer wieder herausgestellt worden. Womöglich wären also sogar Effizienzgewinne denkbar, wenn man einen erheblichen Teil der GIZ zurückbaut. Stattdessen könnte man einfach die frei werdende Summe nach einem vordefinierten Schlüssel an Wohltätigkeitsorganisationen aushändigen – von globalen Impfinitiativen bis zu lokal organisierten Projekten. Ja, dann fehlen die vielen Zertifikate, Prüfungen und Berichte. Aber man kann ja auch einfach mal einen Vertrauensvorschuss gewähren. Netto kommt womöglich für die Menschen mehr raus. Und wenn lokale Kräfte nicht auch noch miterleben müssen, wie ihre Ansprechpartner im besten Haus am Ort unterkommen und sie mit Formularen traktieren, ist das vielleicht auch für die soft power des Westens kein Verlust.

AUSBLICK

Photo: National Portrait Gallery from Wikimedia Commons (CC 0)

Was uns interessiert

Neulich war ich mal wieder in London. Was bei einem Besuch in dieser grandiosen Stadt für mich nie fehlen darf, ist ein Besuch in der National Portrait Gallery. Sie ist eine Art besonders gut aussehendes Geschichtsmuseum, weil sie Bilder von allen möglichen bedeutenden Gestalten britischer Geschichte vereint. Man blickt diesen Leuten direkt ins Auge und kann so Geschichte für einen selbst lebendig werden. Natürlich finden sich dort die Monarchen und ihre Familien, Premierminister und Generäle, aber auch prägende Persönlichkeiten aus anderen Bereichen wie Kunst und Wissenschaft. Für mich ist es immer auch ein Wiedersehen mit einigen meiner größten Vorbilder und besonderen Freunde wie etwa mit den Philosophen Adam Smith und David Hume, dem Abolitionisten William Wilberforce, der Anti-Slavery Society Convention, den Schriftstellerinnen Mary Wollstonecraft und Harriet Martineau, dem Freihandelsaktivisten Richard Cobden und dem Politiker William Ewart Gladstone.

WELTBEWEGER

Photo: Pierre-Louis Bouvier from Wikimedia Commons (CC 0)

Wer etwas bewirkt

Es gibt immer mal wieder so Ausnahmepersönlichkeiten, bei denen alle Fäden ihrer Zeit zusammenzulaufen scheinen. Germaine de Stael (1766-1817) ist eine solche. Mit 20 Jahren begann die Tochter eines der letzten Regierungschefs von Ludwig XVI. zu schreiben. Im Laufe ihres gar nicht so langen Lebens entwickelte sie sich zu einer der führenden Literaten an der Schwelle zur Moderne und zugleich zu einer hochgeachteten Kommentatorin der höchst turbulenten Politik ihrer Epoche. In der ersten Phase der Französischen Revolution brachte sie sich in die Debatten ein und war etwa bei der Entstehung der ersten Verfassung beteiligt. Später war sie eine wortgewaltige Kritikerin der Terrorherrschaft der Revolution und der Diktatur Napoleons.
In ihren Salons in Paris, in ihrem Schloss in der Schweiz und auf vielen Reisen durch Europa knüpfte sie Netzwerke mit den bedeutendsten Intellektuellen jener Zeit, deren Wirken das 19. Jahrhundert wesentlich prägten, wie etwa der preußische Reformer Wilhelm von Humboldt, der General Carl von Clausewitz und Schlüsselfiguren der entstehenden Romantik wie Lord Byron, François-René de Chateaubriand und die Familie Schlegel. Ihr bekanntestes Werk trägt den Titel „Über Deutschland“, in der sie Eindrücke von zwei Reisen wiedergibt. Dabei hat das Bild, das sie von der gerade sich bildenden Nation zeichnet, ganz besonders auch einen Zweck: Es soll ihren französischen Landsleuten als Gegenentwurf dienen zur Radikalität und Brutalität des die Aufklärung pervertierenden Terrors.
Die glamouröse, blitzgescheite und sehr selbstbewusste Frau war auch eine wichtige Orientierung für die aufkommende Frauenbewegung. Die Alphamännchen ihrer Zeit begegneten ihr mit großem Respekt. Und in der Wahl ihrer Begleiter und Liebhaber behielt sie die Zügel fest in der Hand: Ihr erster Ehemann war schwedischer Botschafter, ihr langjähriger Geliebter ein General und Diplomat Frankreichs unter dem König wie unter Napoleon, und ihr letzter Gatte war ein 22 Jahre jüngerer Offizier, mit dem sie im Alter von 45 Jahren noch einen Sohn hatte. Aus freiheitlicher Sicht ist eine Verbindung besonders interessant. Für fast anderthalb Jahrzehnte war einer der bedeutendsten französischen Liberalen de Staels Lebensgefährte: Benjamin Constant. 

MITSTREITER

Was andere machen

Zum dritten Mal fand am 11. März das „Café Kyiv“ statt, das von der Konrad-Adenauer-Stiftung mit einer Heerschar von Partnern in Berlin veranstaltet wurde. Vom Morgen bis in die Nacht hinein gab es viele Workshops und Vorträge, die einer vielfältigen Gruppe an Menschen die Möglichkeit gab, ihre Ideen zu präsentieren und sich auszutauschen: Heldenhafte Aktivisten aus der Ukraine, Wissenschaftlerinnen, Journalisten, Kulturschaffende und Expertinnen aus ganz Europa und auch die deutsche Politik mit langjährigen Unterstützern des angegriffenen Landes wie Serap Güler, Anton Hofreiter, Roderich Kiesewetter und Michael Roth. Besonders stolz sind wir, dass Felix Hosse mit seinem Projekt „Clear Conscience“ vertreten war, dessen Entstehen wir im Rahmen unserer ersten Hekaton-Kohorte fördern und begleiten durften.