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Ein Freiheitsmissverständnis – Marko Martin zum Mauerfall – Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann – Transatlantic Tax Fellow

End the Fed steht wieder im Raum, ein alter Anspruch der US-amerikanischen Libertären. Mit Elon Musk ist jemand im Herzen der künftigen US-Regierung, der ein lautstarker Befürworter von Meinungsfreiheit ist. Und für Subventions- und Bürokratieabbau ist die reichste Person der Welt auch noch zuständig…

ANSICHT

Photo: Adam Jones from Flickr (CC BY 2.0)

Was uns bewegt

„End the Fed“ steht wieder im Raum, ein alter Anspruch der US-amerikanischen Libertären. Mit Elon Musk ist jemand im Herzen der künftigen US-Regierung, der ein lautstarker Befürworter von Meinungsfreiheit ist. Und für Subventions- und Bürokratieabbau ist die reichste Person der Welt auch noch zuständig. Steuersenkungen könnten kommen und natürlich Technologieoffenheit. Alles tutti im künftigen Freiheitsparadies.

Die Frage ist nur, ob das Narrativ stimmt. Und da finde ich es immer wieder überraschend, wie viel Hoffnung doch noch auf Politiker – oder politisierende Unternehmer – gesetzt wird. Mögen Begriffe wie Deregulierung, Meinungsfreiheit und Zentralbankabschaffung das ein oder andere liberale oder libertäre Herz auch höherschlagen lassen – meine Prognose ist: die Amerikaner werden kein liberaleres Land oder System bekommen, nachdem sich die Trump Administration ans Werk gemacht hat.

Denn diese Truppe kommt nicht aufgrund eines liberalen Welt- und Menschenbilds zu den Schlüssen, die manchem Freiheitsfreund attraktiv erscheinen. Und die Meinungsmacher und Bevölkerungsgruppen, denen sie gefallen wollen, haben kein Interesse an einer freiheitlicheren Republik. Trumps Wirtschaftsberater wollen die Fed nicht ausschalten, um weniger politischen Einfluss auf Geldpolitik zu haben, sondern mehr. Musk will nicht Meinungsfreiheit, weil er versteht, dass wir durch Vielfalt mehr voneinander lernen können, sondern weil er die modernen Gladiatorenkämpfe der Identitätspolitik amüsant findet. Und wirtschaftliche Freiheit soll natürlich für Großunternehmen gelten, aber nicht für Arbeitnehmer ohne amerikanischen Pass oder solche, die sie einstellen wollen. Die Demokraten haben es wirklich massiv vergeigt in den USA. Keine Frage. Aber noch freiheitsfeindlicher wird es unter den Trump-Republikanern werden.

AUSBLICK

Was uns interessiert

Am 7. November lud der Bundespräsident ein zu einem Festakt zum 35. Jahrestag des Mauerfalls. Als einer der Festredner wurde der Schriftsteller Marko Martin eingeladen. In den 16 Minuten, die seine Ansprache dauerte, wurde der Gastgeber und Hausherr sichtlich immer ungehaltener und erboster. Denn in guter dissidentischer Tradition – Martin stammt aus einer Dissidentenfamilie – hat sich der Autor nicht geschmeidig angepasst, sondern den Mächtigen in ihrem eigenen Schloss schonungslos seinen Blick auf die Dinge ins Gesicht gesagt. Nicht hinterm Rücken, nicht nur als Kommentar im Netz, nicht inmitten lauter Gleichgesinnter. Sondern direkt, anständig, aber knallhart ins Gesicht. (Der Bundespräsident zeigte sich deutlich weniger souverän in seiner Reaktion …) Die Rede ist es wirklich wert, gelesen (oder gehört) zu werden und sollte eigentlich von der Bundeszentrale für politische Bildung an alle Schulen geschickt werden. So geht republikanischer Geist.

Wir sind übrigens sehr stolz, dass Marko Martin erst vor wenigen Monaten als Gastredner bei unserer Taverne war …

WELTBEWEGER

Wer etwas bewirkt

Vor etwas mehr als 100 Jahren, kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs, fuhren schon 100.000 Autos durch Deutschland, Berlin hatte vier U-Bahn-Linien, die insgesamt 37 Kilometer lang waren, Hamburg hatte 25.000 Telefonanschlüsse und in rund 14 Stunden war man von München aus mit dem Zug in Paris. Aber keine einzige Frau in Deutschland (und Europa mit Ausnahme von Finnland und Norwegen) konnte wählen. Und erst 1908 war Mädchen erlaubt worden, das Abitur abzulegen und regulär eine Hochschule zu besuchen. Dass so etwas wie Wahlrecht oder Bildung in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts verhältnismäßig schnell zugänglich wurde, ist dem leidenschaftlichen Einsatz einer Reihe von Frauen (und ein paar weniger Männer) zu verdanken. Frauen wie Anita Augspurg (1857-1943) und Lida Gustava Heymann (1868-1943).

Augspurg hatte sich zur Lehrerin und danach als Schauspielerin ausbilden lassen, spielte an verschiedenen deutschsprachigen Theatern und eröffnete 1887 eines der ersten Fotoateliers Deutschlands. In der Zeit begann sie auch, sich immer stärker für Frauenrechte zu interessieren und begann mit 35 Jahren ein Jura-Studium in Zürich, wo Frauen bereits zugelassen waren. Sie wurde die erste deutsche Staatsbürgerin mit einer juristischen Promotion.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu Zwist in der Frauenbewegung und Augspurg wurde eine der führenden Personen im radikalen Flügel. Diese Frauen machten das Prinzip der Selbsthilfe stark, waren antiautoritär und staatskritisch, und brachen bewusst Konventionen. Außerdem waren sie eine bedeutsame Stimme des Pazifismus, der sich gegen den Militarismus und die Großmannssucht ihrer Zeit richteten.

An ihrer Seite – sowohl als Mitstreiterin als auch als Lebensgefährtin – fand sich seit dieser Zeit auch Heymann, die Tochter eines Hamburger Kaufmanns. Nach dem Tod ihres Vaters verwaltete sie ihr Erbe und setzte das Vermögen ein, um berufstätigen Frauen einen Mittagstisch zu ermöglichen, Kinderhorte zu betreiben und auch das erste Frauenhaus zu eröffnen.

Gemeinsam wirkten die beiden auch nach den Reformen mit Beginn der Weimarer Republik daran, die Situation für Frauen zu verbessern: rechtlich, sozial und kulturell. Es war ein Glücklicher Zufall, dass sie – wie ja auch der Schriftsteller Thomas Mann – zum Zeitpunkt der Machtergreifung der Nazis gerade außer Landes waren. Sie sollten nie wieder zurückkehren, sondern schlugen ihre Zelte in Zürich auf, wo beide 1943 im Abstand von wenigen Monaten starben.

Heimat der Freiheit

Neuigkeiten von uns

Auch im kommenden Jahr wird es wieder einen Transatlantic Tax Fellow geben. Wir ermöglichen gemeinsam mit unseren Partnern und Freunden von der Tax Foundation einer Studentin oder einem Studenten der Wirtschaftswissenschaften tiefere Einblicke in die Komplexitäten (und Abgründe) von Steuersystemen. Die jungen Menschen können mit den sehr umfangreichen Daten der Tax Foundation arbeiten, bekommen individuelles Mentoring im akademischen und politischen Bereich, ein Stipendium von 1800 Euro und einen einwöchigen Aufenthalt in Washington DC. Bewerbungen gerne an wiemann@prometheusinstitut.de