Der Papst und die Politik – Thurid Gebhardt – „House of David“ – Jelena Bonner
- by Ricardo
Papst Franziskus hat sich in seinen 12 Jahren an der Spitze der Kirche auch immer in der Pflicht gesehen, politisch zu werden. Das Schicksal von Migranten, die dramatischen Auswirkungen des Menschen auf die Schöpfung und die brutalen Kriege weltweit haben ihn als Gläubigen erschüttert und zum lauten Widerspruch motiviert. Nicht immer zum Gefallen aller…
ANSICHT
Was uns bewegt

Immer wieder kommt es vor, dass die katholische Kirche ein richtig politisches Oberhaupt hat. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) war mit Leib und Seele ein politischer Mensch im Kampf gegen den Kommunismus – in seinem Heimatland Polen, aber auch in der Kirche Lateinamerikas. Auch Pius IX. (1846-1878) beschäftigte sich intensiv mit politischen Fragen, zum Teil auch notgedrungen, weil unter seiner Ägide der gesamte Kirchenstaat kollabierte und zugleich anti-kirchliche Stimmungen weite Teile Europas erfassten. Und auch Leo XIII. (1878-1903) mit der Begründung der katholischen Soziallehre und Pius XI (1922-1939) mit seinem Kampf gegen Totalitarismen seiner Zeit hatten starke politische Impulse.
Papst Franziskus hat sich in seinen 12 Jahren an der Spitze der Kirche auch immer in der Pflicht gesehen, politisch zu werden. Das Schicksal von Migranten, die dramatischen Auswirkungen des Menschen auf die Schöpfung und die brutalen Kriege weltweit haben ihn als Gläubigen erschüttert und zum lauten Widerspruch motiviert. Nicht immer zum Gefallen aller. Frank Schäffler und ich haben zum Beispiel vor viereinhalb Jahren in der FAZ Stellung genommen zu seinen antikapitalistischen Äußerungen. Ich habe mir häufiger gedacht, dass ich gerne einmal ein, zwei Wochen mit dem Heiligen Vater und ein paar schlauen Menschen wie dem Priester und Theologieprofessor Martin Rhonheimer auf einer Berghütte verbringen würde, um ihm zu verdeutlichen, dass seine Ressentiments gegenüber der Marktwirtschaft den genau falschen „Akteur“ treffen.
Aber war es generell falsch, dass er sich so politisch geäußert hat? Gerade seine Gegner aus der konservativen Ecke haben bei Johannes Paul II definitiv nicht dagegen protestiert … Julia Klöckner bedauerte zu Ostern in einem Bild-Interview: „Wenn Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat, dann wird sie leider auch austauschbar.“ Ich vermute, sowohl Franziskus als auch Johannes Paul haben sich politisch geäußert, weil sie in politischen Entscheidungen auch Fragen von Leben und Tod sahen. In der päpstlichen Enzyklika „Fratelli tutti“, auf die sich unser Gastbeitrag bezog, verdeutlicht Franziskus seine Haltung dazu an der Geschichte des Barmherzigen Samariters. Er richtet den Blick auf die, die den Verletzten am Wegesrand liegen lassen, weil sie Wichtigeres zu tun haben:
„Bei jenen, die vorbeigehen, gibt es eine Besonderheit, die wir nicht übersehen dürfen: Sie waren religiöse Menschen. Mehr noch, sie widmeten sich dem Gottesdienst: ein Priester und ein Levit. Das ist eine besondere Bemerkung wert: Es weist darauf hin, dass die Tatsache, an Gott zu glauben und ihn anzubeten, keine Garantie dafür ist, dass man auch lebt, wie es Gott gefällt.“
Man mag mit den Positionen des verstorbenen Papstes zu Migration, Klimawandel, Kapitalismus, China, Russland und vielem anderen nicht einverstanden sein. Aber eine Kirche, die die Welt aus dem Blick verliert und nur noch metaphysischer Dienstleister ist, würde wahrscheinlich gerade das verfehlen, was das Christentum von allen anderen Religionen unterscheidet: Dass ihr Gott Mensch wird und sich als solcher bis ins größtmögliche Elend vorwagt: Das Kreuz, an das ihn die Mächtigen der Welt geschlagen haben.
AUSBLICK

Was uns interessiert
Kurz vor Beginn der Fastenzeit begann Amazon Prime mit der Veröffentlichung von Episoden der Serie „House of David“; zwei Wochen vor Ostern erschien die letzte Episode der ersten Staffel. Auch daran merkte man, dass es sich bei der Produktion um ein religiös motiviertes Unterfangen handelt. Dass die Geschichte des zweiten und die gesamte Geschichte seines Reiches überstrahlenden israelitischen Königs David von Amazon ins Programm genommen und sehr aufwendig produziert wurde, zeigt generell, dass religiöse Themen auch kulturell wieder präsenter werden. Auch für nicht-religiöses Publikum ist die Serie freilich ein spannendes Sehvergnügen mit einer zwischen „Herr der Ringe“ und „Star Wars“ operierenden Erzählkunst und Ästhetik. Wobei diese sich natürlich ihrerseits intensiv an der Bibel orientiert hatten …
Es gelingt den Machern, die Geschichte des (in der ersten Staffel noch jungen) Königs und seines Umfelds mir Respekt vor der Vorlage zu erzählen. Aber sie gehen über die mitunter holzschnittartigen Berichte der Bibel hinaus und geben den Figuren Raum zur Entwicklung und Vertiefung. Samuel als ganz von seiner Mission ergriffener Prophet überzeugt ebenso wie die machttechnokratischen Philisterkönige. Der alte König Saul hat genug Gelegenheiten, seinen Wandel zwischen den Welten mitfühlbar zu machen: zwischen Gut und Böse, Gottesfurcht und Eitelkeit, Zorn und Liebenswürdigkeit, Berechnung und Wahnsinn. Sehr sehenswert ist die Serie nicht nur, weil sie technisch und schauspielerisch überzeugt: Sie zeigt auch, wie stark Welt- und Menschenbild der europäisch-westlichen Welt geprägt sind von den paar kleinen Wüstenstämmen, die im ersten Jahrtausend vor Christus zwischen den Großreichen ihrer Zeit in den Berggebieten oberhalb des östlichen Mittelmeers zusammenfanden.
WELTBEWEGER

Wer etwas bewirkt
Jelena Bonner (1923-2011) wurde in eine Familie überzeugter Kommunisten geboren, die bald das stalinistische Schicksal ereilen sollte: Ihr Stiefvater wurde 1937 hingerichtet und ihre Mutter kurz darauf für zehn Jahre ins Gulag gesteckt. Als Erwachsene arbeitete sie als Ärztin, suchte aber schon immer die Nähe dissidentischer Kreise. Dort traf sie im Oktober 1970 auf den Nuklearphysiker und Menschenrechtler Andrei Sacharow. Schon zwei Jahre später waren die beiden verheiratet. Sie war an der Gründung der Moskauer Helsinki-Gruppe beteiligt und bildete den einzigen Gesprächskanal ihres Ehemannes zur Außenwelt, nachdem der 1980 in die geschlossene Stadt Gorki verbannt worden war, bis sie selber 1984 auch dorthin geschickt wurde.
Bonner stellte sich mit ihrer moralischen Autorität auf die Seite des neu entstehenden demokratischen Russland nach 1991, war aber auch bereit, sich unter den neuen Umständen immer wieder gegen Unrecht aufzulehnen. So verließ sie 1994 aus Protest gegen den ersten Tschetschenien-Krieg die staatliche Menschenrechtskommission, setzte sich für die armenische Exklave Karabach ein und erhob ihre Stimme gegen die Gefahr des wachsenden Antisemitismus. Vor allem aber gehörte sie zu den hellsichtigen Stimmen, die schon früh in drastischen Worten vor der drohenden Autokratie unter Putin warnten. Dass solche Stimmen, die nun wirklich wussten, wovon sie sprachen, in vielen Demokratien der Welt, aber ganz besonders auch in Deutschland, kleingeredet, missachtet oder gar verlacht wurden, war nicht nur eine moralische Bankrotterklärung, sondern auch realpolitisch katastrophal. Bonner hat auch eine wichtige Rolle in einem Film über die sowjetischen Dissidenten, der 2005 produziert wurde, und zwar von Wladimir Kara-Mursa, der letzten August nach über 2 Jahren Lagerhaft im Rahmen eines Gefangenenaustausches in die Freiheit kam:
Heimat der Freiheit

Neuigkeiten von uns
Einer der vielen wunderbaren Aspekte, bei Prometheus zu arbeiten, besteht darin, dass wir sehr viele junge und hochmotivierte Kolleginnen und Kollegen haben. Das Problem (für uns, nicht für sie!) ist dabei, dass sie dann auch irgendwann weiterziehen. Zum Glück in der Regel mit einer großen Portion Prometheus-Spirit im Gepäck. Zum Ende dieses Monats heißt es Abschied nehmen von unserer sehr lieben Kollegin Thurid Gebhardt. Seit dem 1. Januar 2023 hat sie sich bei uns im Kommunikationsbereich eingebracht und viele unserer Produkte geprägt: von Prometheus-Mitbringseln über unsere social media-Arbeit bis hin zu zwei hervorragenden Videos, an deren Produktion sie entscheidend mitgewirkt hat. Besonders viel positives Feedback kam auch für Ihre Beiträge hier im Newsletter und auf unserem Blog. Worauf man sich immer verlassen konnte, war ihre ehrlichen, offenen und zugleich freundlichen Rückmeldungen, die an vielen Stellen dazu beitrugen, unsere Arbeit zu verbessern. Zumindest auf diese Unterstützung wollen wir in Zukunft auch immer wieder gerne zurückgreifen. Denn eines ist bei Prometheus ja immer ganz klar: man beendet vielleicht mal ein Arbeitsverhältnis, aber man bleibt immer Teil der Familie der Heimat der Freiheit! Vielen Dank an Thurid, dass sie diese Heimat mitgestaltet hat!